Die meisten treten Instagram bei, um sich und ihren Lifestyle zu präsentieren. Andere wiederum, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Justus Hansen jedoch richtete sich auf Rat seines Mitbewohners einen Account bei der Social-Media-App ein, weil man dort angeblich sehr gut Frauen kennenlernen könne. Doch er hätte damals wohl kaum damit gerechnet, dass sich ihm durch Instagram eine gänzlich neue Welt eröffnet: Mit 280.000 Followern zählt der Jurastudent nach nur drei Jahren zu den begehrenswertesten Influencern Deutschlands. Sein Stil reicht von casual über cool bis hin zu elegant. Und diese Vielseitigkeit zahlt sich aus. Marken wie Canada Goose, Eton und Grey Goose kooperieren regelmäßig mit ihm. THE CLIQUE SUITE hat den sympathischen 26-Jährigen zum Interview gebeten und unter anderem erfahren, wie es ist, sich in Florenz hinter einer nach Urin riechenden Telefonzelle umzuziehen.
Justus, wie entwickelte sich dein persönlicher Feed im Laufe der Zeit?
Ich fand damals große Inspiration in den Modebildern, die auf der Explore-Seite zu sehen waren und engagierte mich dann doch eher in diese Richtung, als in der ursprünglich anvisierten.
Du hast in diesem Jahr auch deinen ersten Blog lanciert. Gehört das zum Insta-Influencer nunmal dazu?
Wer Reichweite hat, glaubt, sich auch schriftlich mitteilen zu müssen. Für mich kam ein Blog aber erstmal lange Zeit nicht in Frage, weil ich ihn nicht nur um des Haben Willen einrichten wollte. Ich entschied mich letztlich doch dafür, weil ich nach mittlerweile über 1.000 hochgeladenen Bildern auch mal in die Tiefe gehen und zum Bildmaterial Inhalt liefern wollte. Meine persönliche Herausforderung liegt derzeit aber noch im Aufwand für so eine Seite. Damit bin ich noch etwas überfordert, daher auch die verhältnismäßig wenigen Posts.
Du hast deine eigene Haus- und Hoffotografin Isabel Hayn. Wie habt ihr euch kennengelernt und warum schießt sie deiner Meinung nach die besten Fotos von dir?
Quick ‚n‘ dirty: über Tinder. Bei unserem ersten Date habe ich einen Timer auf 30 Minuten gestellt und gesagt, dass – so cool oder schlimm es auch sein mag – wir 30 Minuten haben und danach gehen. Mögen wir uns, sehen wir uns wieder. Es war ein echt super Date, haben dann aber beim nächsten Mal gemerkt, dass es nichts mit der Liebe wird, wir uns aber unfassbar gut verstehen. Sie fing mit der Fotografie an, ich hatte meine ersten 10.000 Follower auf Instagram. Seitdem arbeiten wir zusammen und sind beste Freunde. Zu den Fotos: Ich kann es dir nicht sagen. Diese Frau weiß einfach wie. Beweise gibt’s unter www.isabelhayn.com.
Was wenige wissen: Du studierst eigentlich Jura. Wie geht das recht konträre ‚Doppelleben‘ einher?
Ich verstehe was du meinst, empfinde es aber nicht als Doppelleben. Es kam für mich nie in Frage mich nur meinem Studium zu verpflichten und mein Leben danach auszurichten. Dafür habe ich zu viele Interessen, die ich auch während des Studiums verfolge. Was ich aber sagen kann ist, dass es immer schwieriger wird, alles zeitlich zu koordinieren. Deshalb habe ich mir nun auch zwei Urlaubssemester genommen.
Und was kommt nach dem Abschluss? Das Justizgebäude oder doch der Street-Runway?
Was nach dem Abschluss kommt, weiß ich nicht. Ich hatte nie einen genauen Plan und wollte auch nicht von Kindesbeinen an Anwalt werden. Ich habe das Studium angefangen, weil ich Argumentation und Sprache liebe. Der Schwierigkeitsgrad des Studiums hat mich sicherlich auch gereizt. Zu Beginn kannte ich Instagram nicht einmal und zwei Jahre später werden mir Klamotten gestellt und reise für Unternehmen durch die Welt. Von daher: Eine Prognose für die nächsten zwei Jahre zu geben; das wäre unmöglich.
Okay, dann kommen wir zurück zur Gegenwart. Wie sieht dein Alltag aus? Wie oft stehst du vor der Kamera?
Einen geregelten Tagesablauf habe ich nicht. In der Prüfungsphase sitze ich von morgens bis abends am Schreibtisch. Die Uni-Bibliothek meide ich weitestgehend. Generell shooten Isabel und ich effektivitätshalber so viele Outfits wie möglich. Normalerweise stehe etwa zwei Mal die Woche vor der Kamera. Ansonsten lese ich gerne und treibe viel Sport.
Worüber sollte man sich denn im Klaren sein, wenn man Influencer ist oder gar werden will?
Ganz besonders sollte man sich (und auch jeder andere) darüber im Klaren sein, dass man ein und dieselbe Person bleibt. Egal wie hoch das Following auch sein mag. Menschlich gesehen bedeutet es also rein gar nichts. Weder ist es die Berechtigung für ein gewisses Verhalten, noch darf man eine besondere Behandlung erwarten. Es kommt zu oft vor, dass mit der Social Media-Aufmerksamkeit auch das Selbstwertgefühl verknüpft wird. Das ist gefährlich. Zum Zusatz deiner Frage ‚Influencer werden möchte‘: Ich finde es erstaunlich, dass Influencer zu werden tatsächlich für viele ein erklärtes Ziel ist. Wie soll das gehen? Man kann andere doch nur mit dem beeinflussen und inspirieren, was sie nicht kennen. Und das Einzige, das andere nicht kennen können, ist die subjektive Sichtweise eines anderen auf bestimmte Dinge. Und diese kann ich heutzutage über Social Media in jeder erdenklichen Form teilen. Der springende Punkt ist hier: entweder sie findet Anklang, oder eben nicht. Aber zu ‚wollen‘, dass diese Anklang findet, ist nicht nur nicht möglich, sondern auch unnatürlich.
„Wer hätte gedacht, dass ich mich – nur zehn Minuten bevor wir das ‚perfekte‘ Foto neben einer Vespa bei strahlendem Sonnenschein in Florenz aufnehmen – hinter einer nach Urin riechenden Telefonzelle halbnackt umziehe? Glamour-Faktor negativ.“
Was braucht ein guter Insta-Account deiner Meinung nach?
Ich kann hier nur von Mode sprechen, denn andere Kanäle verfolge ich nicht und kenne mich dementsprechend nicht aus. Ein guter Mode-Account zeichnet sich daher durch Persönlichkeit und Mehrwert aus. Erklärt sich am besten mit der Gegenfrage: Warum folge ich dem männlichen Modeblogger A und nicht dem männlichen Modeblogger B? Antwort: weil mir der Stil von A besser gefällt als der des B. Das geht nur, wenn A etwas anderes macht als B. Man muss sich also für eine Richtung entscheiden und mit einer Handschrift versehen, die sich von jedem anderen unterscheidet. Sonst ist man austauschbar. Was man mittlerweile sehr oft sieht.
Wie würdest du denn deinen Account beschreiben?
Mein Instagram-Account zeigt meine ganz subjektive Herangehensweise an Männermode. Nicht mehr und nicht weniger.
Dann beende bitte diesen Satz: „Mein Stil setzt sich zusammen aus…“
Mein Stil setzt sich zusammen aus einem Mix aus Farben, Formen, Schnitten und Materialien, kombiniert, wie mir es gefällt. Marke Eigenbau. Ohne Garantie für Richtigkeit.
Was ist das Verrückteste, das du bisher auf deinen Reisen/Events erlebt hast?
Verrückt im Sinne von völlig unerwartet war, als ich zu einer Veranstaltung im SoHo House Berlin untergebracht war und ich vor Ort erfuhr dass ich mit dir, Cheryll, ein Hotelzimmer teilen sollte. Wir haben uns noch nie zuvor gesehen. Abends wurde ich dann aufgeklärt, dass es sich um ein 250 Quadratmeter großes Loft mit getrennten Schlafzimmern handelt.
Was ist an deinem Influencer-Job nicht so glamourös wie man denkt?
Alles eigentlich. Als glamourös könnte man lediglich die Situation des Bildes bezeichnen, das eingefangen wurde sowie die Kooperationspartner und Events, zu denen man eingeladen ist. Der Rest, also die Erstellung des Contents, geschieht nur durch kontinuierliche, harte Arbeit. Wer hätte gedacht, dass ich mich – nur zehn Minuten bevor wir das ‚perfekte‘ Foto neben einer Vespa bei strahlendem Sonnenschein in Florenz aufnehmen – hinter einer nach Urin riechenden Telefonzelle halbnackt umziehe? Glamour-Faktor negativ.
Was würde passieren, wenn man auf deinem Handy Instagram löscht und du es für sieben Tage nicht benutzen könntest?
Ich nehme mein zweites Handy?! Nein Spaß. Naja, du wirst jetzt nicht von mir hören, mein Leben wäre dann vorbei oder, dass ich Angstzustände bekäme. Meine Generation ist noch offline groß geworden, hat dementsprechend auch dort seinen Fokus und weiß die Online-Welt lediglich für sich zu nutzen. Ich würde diese sieben Tage ganz gezielt angehen und schauen, was sich an mir und meinen Gewohnheiten in dieser Zeit ändert. Gelerntes lässt man dann in Zukunft entsprechend einfließen. Ferner würde ich die Zeit aber auch nutzen, um Content zu produzieren. Ist doch klar.
Jetzt musst du dich entscheiden: lieber Anzug oder Jeans mit Sweater?
Wenn das eine finale Entweder/Oder-Frage ist, die ich persönlich ja liebe, dann: Anzug. Allein deshalb, weil es lustiger wäre, jeden Tag und in jeder Situation einen Anzug tragen zu müssen. Ich liebe es einfach.
Sneaker oder Loafer?
Sneaker. Aber sehr, sehr schlichte.
Sneaker oder Boots?
Sneaker, weil konstanter. Boots sind ein Hype.
Trenchcoat oder Lederjacke?
Trenchcoat. Weil es schwer ist, ihn wirklich gut zu kombinieren.
Hemd oder T-Shirt?
Hemd. T-Shirt gibt ‚farmers tan‘.
Rasiert oder Schnurrbart?
Tom Selleck.
Zum Ende noch ein kurzer philosophischer Exkurs: Platzt die Influencer-Blase; ja oder nein?
Wenn es – hoffentlich bald – Tools geben wird, die Fake-Following und -Likes entweder aufzudecken oder ganz zu löschen, ja. In Sachen Mainstream-Influencer wird sie definitiv platzen, weil zu viele sich schlichtweg zu ähnlich sind. Echte, authentische Profile mit klaren Prinzipien und eigener Färbung werden aber bestehen bleiben.
Wo siehst du dich also in fünf Jahren?
Also mal ganz sicher als fertig studierter, völlig unverdienter Meilen-Millionär und stolzer Vater mehrerer iPhone-Generationen sowie Unmengen an zugemüllter Terrabyte-Festplatten. Nein, im Ernst: keine Ahnung. Ich habe meinen eigenen Kopf, schon immer gehabt und diesen möchte ich auch in Zukunft durchsetzen. Ich möchte meinen Weg selbst bestimmen und meine Entscheidungen befreit von Konventionen treffen. Sowohl heute als auch morgen oder in fünf Jahren.