Armedangels – wer sich für Nachhaltigkeit interessiert, hat diesen Namen bereits mehrfach gehört. 2007 in Köln gegründet, gehört die eco-faire Brand zu den absoluten Pionieren auf diesem Gebiet und beweist, dass sie den konventionellen Modelabels in nichts nachstehen. Im Interview erzählt uns Lavinia Muth, CR Manager bei Armedangels welche ambitionierten Ziele hinter der Brand stehen und wie man Nachhaltigkeit ganz leicht im eigenen Alltag integrieren kann.
Liebe Lavinia, erzähl uns doch bitte, wer oder was Armedangels ist.
Armedangels ist meiner Meinung nach ein Pionier im Bereich Fair Fashion. Wir waren vor circa zwölf Jahren mit eines der ersten Start-ups, die sich sowohl ökologische als auch soziale Nachhaltigkeit nicht nur auf die Fahne geschrieben, sondern auch wirklich vom ersten Tag an daran gearbeitet haben, dies kontinuierlich zu leben und in unseren Lieferketten umzusetzen. Wie wir immer so schön sagen: „Ganz egal ob Baumwollbauer in Indien, Näherin in der Türkei oder IT-ler in Köln.“
Wer hat das Label gegründet?
Das Label wurde von Martin Höfeler und Anton Jurina, zwei BWL-Studenten mit einer damals einmaligen und utopischen Geschäftsidee, gegründet. Angefangen hat alles mit fair produzierten T-Shirts, woraus sich in den folgenden Jahren eines der größten Eco & Fair Fashion Labels Europas entwickelt hat. Dabei hatten die beiden Gründer anfangs weder Erfahrungen in der Modewelt, noch war ihnen das Ausmaß der Missstände, hinsichtlich der Produktionsbedingungen und der mangelnden Nachhaltigkeit von Mode, bewusst. Ich denke, wir zeichnen uns vor allem durch die hohe Transparenz, nicht nur in der Kommunikation – daran arbeiten wir gerade intensiv – sondern auch in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern in den Produktionsländern aus.
Und wie hast du zu Armedangels gefunden?
Vor meinem Wechsel zu Armedangels wollte ich mich eigentlich mehr auf meine Ausbildung zur Yogalehrerin konzentrieren, dennoch habe ich dann vor eineinhalb Jahren die Stellenausschreibung für die Stelle als Corporate Responsibility Managerin gesehen und mich voll angesprochen gefühlt. Nachdem ich acht Jahre in der Nachhaltigkeitsberatung gearbeitet habe und die Möglichkeit hatte, in diverse Konzernstrukturen sowie Klein- und mittelständische Produktionsbetriebe weltweit hineinzufühlen, war für mich klar: Mein nächster Schritt soll klare Strukturen der Ganzheitlichkeit gepaart mit etwas Rebellentum aufweisen. Die Message und die Arbeit von Armedangels verkörpert dies für mich bis heute.
Wir wollen dadurch nicht das Problembewusstsein unterstützen, sondern die positive Wahrnehmung von Mitgestaltungsmöglichkeiten und nachhaltigen Lösungen aufweisen.
Reden wir einmal über deinen Jobtitel: CR steht für Corporate Responsibility. Was bedeutet das eigentlich?
Ich glaube, wir und damit meine ich uns alle, nicht nur die Fashion Industrie, stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Dennoch müssen wir optimistisch sein. Das bedeutet nicht, dass ich der Meinung bin, dass sich die Lücke zwischen dem, was wir heute sind, und dem, was wir tun müssen, automatisch schließen wird. Tatsächlich wird es viele und vor allem mutige Anstrengungen erfordern. Ich nutze lediglich ‚Climate Change’ als Begriff. Ich denke aber, dass es notwendig ist, diese Verantwortung zu teilen. Es ist leicht zu sagen: „Es ist nicht mein Kind, nicht mein Mitarbeiter, nicht meine Gemeinschaft, nicht meine Welt, nicht mein Problem.“ Dann gibt es diejenigen, die die Notwendigkeit sehen und reagieren. Das ist Corporate Responsibility für mich und das ist auch das, was nachhaltiges Handeln beinhaltet.
Und wie sieht ein klassischer Arbeitstag als CR Manager bei Armedangels aus?
Die Grundlage von Corporate Responsibility bei Armedangels ist die Integration der ökologischen, sozialen und ethischen Aspekte in unsere allgemeine Markenstrategie. Corporate Responsibility ist demnach in das Tagesgeschäft integriert und vor diesem Hintergrund ist mein persönlicher Arbeitsalltag kunterbunt: ich kommuniziere viel mit unseren Lieferanten, bereite die Betriebsprüfungen nach, erstelle kooperative Korrekturmaßnahmenpläne; intern kommuniziere ich ebenfalls viel, halte Mitarbeiterschulungen und Sit-ins, denn Nachhaltigkeit wird bei uns integrativ gelebt, also müssen immer alle auf dem neuesten Stand sein und auch mitreden können; und zudem bin ich immer auf der Suche nach innovativen Verfahren und Projekten, die mit den unterschiedlichen Abteilungen im Unternehmen abgesprochen werden müssen und dann mit unseren Partnern angegangen werden. Dann kommen natürlich Lieferantenreisen und weitere Reisen zu unseren Rohstoffquellen hinzu. Diese sind essentiell und es ist wichtig, sie regelmäßig durchzuführen. Man sollte natürlich grundsätzlich daran arbeiten, langfristige Beziehungen zu den Partnern aufzubauen, jedoch aufgrund des schnellen Wandels und der allgemeinen Dynamik in der Industrie muss man immer wieder nachhaken und validieren, ob das, was wir machen und gemeinsam aufbauen, auch den Impact und Nutzen hält, den die Projekte zu einem bestimmten Status quo hatten. Dranbleiben und weitermachen ist die Devise. Wir wollen dadurch nicht das Problembewusstsein unterstützen, sondern die positive Wahrnehmung von Mitgestaltungsmöglichkeiten und nachhaltigen Lösungen aufweisen. Ich bin im Grunde für die ganze Nachhaltigkeit zuständig, beziehungsweise setze die Rahmenbedingungen und entwickle dessen Strategie weiter. Am Ende des Tages ist es natürlich eine ‚shared responsibility’, das kann eine Person alleine nicht leisten.
Man muss es immer wieder wiederholen: Wir wissen doch eigentlich alle, wie wir Kleidung nachhaltiger konsumieren können. Weniger und überlegter einkaufen! Je höher die Qualität der Textilien, desto länger halten sie und umso weniger muss man am Ende wegwerfen und nachkaufen.
Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, kommen wir am Thema Greenwashing nicht vorbei: Wie entlarven und umgehen wir es beim Kleiderkauf und worauf sollten wir unbedingt achten?
Puh, das ist ein sehr komplexes Thema, für das ich keine einfache Antwort habe, da es für den Endkonsumenten wirklich schwierig ist, Greenwashing zu entlarven. Da ‚authenticity’ und ‚credibility’ meiner Meinung nach, ganz wichtig sind, sehe ich persönlich fast überall Greenwashing. Zum Beispiel wenn jemand damit wirbt, recyceltes Polyester einzusetzen und behauptet, PET-Flaschen vor der Müllkippe zu retten. Das ist lediglich in wenigen Fällen der Fall, da die PET-Flaschen, die in recyceltem Polyester sind, in der Regel aus Industrieländern stammen, die Recyclingstrukturen implementiert haben und wo ein bottle-to-bottle Ansatz nachhaltiger wäre.
Grundsätzlich gilt aber: ‚better done than perfect’! Wir wissen ja alle aus unserem eigenen Konsumleben, wie schwierig es teils ist, alltägliche Dinge umzustellen. Zum Beispiel komplett auf Plastikflaschen oder Wegwerf-Coffee-to-Go-Becher zu verzichten. Beim Kleiderkauf gilt, wenig Schischi ist in der Regel nachhaltiger, Monomaterialien, bzw. Stoffe, die nicht sechs unterschiedliche und zumeist synthetische Fasern enthalten. Die GOTS-Zertifizierung kann bei natürlichen Bio-Fasern helfen. Ansonsten muss man es immer wieder wiederholen: Wir wissen doch eigentlich alle, wie wir Kleidung nachhaltiger konsumieren können. Weniger, und überlegter einkaufen! Je höher die Qualität der Textilien, desto länger halten sie und umso weniger muss man am Ende wegwerfen und nachkaufen. Vintage oder Second-Hand-Ware kaufen! Behutsam mit Kleidung umgehen, kaputte Teile, wenn möglich, reparieren, die korrekte Waschanleitung befolgen und generell nur so viel waschen, wie wirklich nötig ist, um die Kleidung zu schonen. Ich würde außerdem immer empfehlen, Armedangels zu kaufen. (lacht)
Welche Tipps und Tricks hast du für uns parat, damit wir unseren eigenen Alltag und Konsum nachhaltiger gestalten können?
Da gibt es eine Handvoll Dinge. Mehr Leitungswasser trinken, keine Papp-Kaffeebecher nutzen, Stofftüte oder Rucksack zum Supermarkt mitnehmen, weniger tierische Produkte essen, regional und saisonal kaufen, mehr selber kochen, auf umweltfreundliche Körperpflege achten, weniger rauchen (auch wenn ich das nicht gerne selber höre), weniger fliegen und einfach anfangen!
Bitte beende zum Abschluss noch diesen Satz: Nachhaltigkeit bedeutet für mich…
Den Planeten nicht nur zu erhalten, sondern ihn auch besser als heute an die nächste Generation weiterzugeben. Dafür müssen wir die Regeln nicht nur brechen, sondern sie neu definieren.
Liebe Lavinia, vielen Dank für das tolle Interview!