Blank is the night
Nun sind sie vorbei, die inspirierenden Tage des Düsseldorf Photo Weekends, das mit hochkarätigen Ausstellungen, Vorträgen, Künstlergesprächen und Führungen an über 70 Austragungsorten aufwartete. Doch auch wenn die meisten Bilder inzwischen wieder abgehängt sind – manch einer der vorgestellten Künstler hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. So auch Andreas Gefeller, einer der erfolgreichsten Düsseldorfer Fotografen, der sich mit seinen neuen Arbeiten tief in das Herz der Zivilisation zoomt.
Blank heißt der jüngste von ihm veröffentlichte Fotoband. Darin zu sehen: Industriell vereinnahmte Orte in gleißendem Weiß, die uns sofort in ihren Bann ziehen. Die großformatigen Fotografien, die mittels Langzeitbelichtung bei Nacht entstanden, verkehren den Zweck des künstlichen Lichtes – nämlich Dinge sichtbar zu machen – ins Gegenteil und entführen den Betrachter in ein virtuelles Paralleluniversum, in dem neue physikalische Gesetze zu gelten scheinen.
Dort, wo Licht ist, brennen die Bilder aus, dort, wo in der Realität Dunkelheit herrscht, bringt Gefellers Technik Unsichtbares aufs Papier. Ein Röntgenblick sozusagen, der es vermag, das durch das an Bienenwaben erinnernde Lüftungsgitter fotografierte Innere eines Computers bis ins kleinste Detail zu enthüllen. Aus der Black Box wird eine White Box – und so werden auch unsere Sehgewohnheiten aufgebrochen. Automatisch versuchen Auge und Gehirn, die blanken Stellen in den Bildern zu ergänzen, doch es bleibt beim Schemenhaften, welches vielfach Raum für Neuinterpretationen schafft: Chemieparks ähneln architektonischen Explosionszeichnungen, die endlose Reihung von Fenstern scheint eine codierte Nachricht zu enthalten und gestapelte Container legen den Vergleich mit Datenpaketen nahe.
Neben den exzessiv überbelichteten Fotografien zeigt Gefeller eine Reihe bearbeiteter Satellitenbilder von Ballungsräumen. Mit ihren hell erleuchteten Stadtkernen und Verkehrsadern wirken die Städte auf diesen kleinformatigen Arbeiten wie zarte Mehrzeller, die in Ursuppe schweben, wie filigraner Schmuck, auf nachtschwarzen Samt gebettet, rufen aber gleichzeitig das unaufhaltsame Fortschreiten der Urbanisierung ins Gedächtnis. Die Kolonialisierung des Planeten schreitet voran, die Gebilde, die unsere Städte darstellen, wirken dennoch fragil, zerbrechlich, vergänglich.
Ebenso konzeptionell wie in seinen Fotoarbeiten verfährt Gefeller mit dem Begleittext zu seinem nunmehr 5. Buch, einem Essay des Autors, Kurators und Fotokunstexperten David Campany. Mit jeder Seite wird die Typo des Textes kleiner und dichter, bis er zu einem weißen Rauschen verschwimmt – eine Anspielung auf die auch in den Bildern zitierte Überinformation unserer Gesellschaft, die letzten Endes zu Desinformation führt. In der zweiten Hälfte des Buches lösen sich die Buchstaben wieder aus der Dichte heraus, die Lesbarkeit kehrt zurück. Wie seine künstlerische Annäherung an die Welt ist dieser kunstvoll inszenierte Effekt Sinnbild von Andreas Gefellers Sehnsucht nach Einfachheit und Entschleunigung.
Andreas Gefeller Blank ist bei Hatje Cantz erschienen und kostet 45 Euro.