Namilia gilt als einer der heißtesten Neuzugänge des New Yorker Schauenkalenders. Kein Wunder: Der Look des in Berlin beheimateten Labels ist genauso cool wie provokant, die Haltung der beiden Macher konsequent. ‚My Pussy, My Choice’ lautete das Credo ihrer ersten Kollektion. Emilia Pfohl und Nan Li propagieren die Umkehrung der gesellschaftlichen Machtstrukturen, wollen die Sexualisierung und Objektivierung von Frauen auflösen. Dass sie ihre Botschaft so humorvoll transportieren, unterscheidet das Duo von feministischen Aktivisten früherer Tage. Namilias Stilmittel: Penis und Pussy.
Comichafte Darstellungen primärer Geschlechtsorgane zeugen vom befreiten Umgang der beiden Designer mit körperlichen Tabuzonen. Auch modisch gesehen kennen Emilia und Nan keine Berührungsängste: Motocross meets Haute Couture meets Punk meets Kitsch. Die beiden ehemaligen Studenten der Universität der Künste in Berlin greifen für ihre sexuell aufgeladenen Entwürfe gerne tief in die Trickkiste. Vor wenigen Tagen präsentierte Namilia in New York seine Spring 2018 Kollektion.
Inspiriert von Dennis Diderots 1748 anonym veröffentlichter erotischer Novelle ‚Die indiskreten Kleinode’, steht für die nächste Saison die Vagina im Mittelpunkt des modischen Interesses. Wattierte Blazer-Revers, perlenbestickte Applikationen, satinbezogene Pumps: Allerorten tauchte das weibliche Geschlecht auf. Gewagte Cut-Outs, glitzernde Nipple-Tassles und hochgeschnittene Stringtangas ließen viel nackte Haut sehen, das große Finale bestritt ein über und über bestickter Reifrock im Marie-Antoinette-Stil. Nach der Schau weihte uns das Duo in die Facetten seiner Philosophie ein, lobte Instagram als Recherche-Tool und sprach über die unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung männlicher und weiblicher Pop Ikonen.
Ihr behauptet, daß die Zeit, in der Frauen sich männlich kleiden mussten, um ernst genommen zu werden, zu Ende geht. Was macht Euch so sicher?
Noch ist dies Teil unserer Vision, doch sind wir auf einem guten Weg zum Umsturz alter Regeln. Geschlechterrollen werden immer häufiger hinterfragt und Zugehörigkeiten immer weniger kategorisiert. Mit unserer Mode kämpfen wir dafür, die Gesellschaft von Klischees und veralteten Gesellschaftsbildern zu befreien, um Platz für Neues zu schaffen. Wie diese neue Form genau aussehen könnte, versuchen wir mit Hilfe unserer Entwürfe zu eruieren.
Zowie Broach, Co-Founder des Lables Boudicca und Head of Fashion am Royal College of Art, hat Euch so auf das Leben als Modedesigner vorbereitet: „Ihr müsst die Avantgarde sein, im wahrsten Sinne des Wortes. So wie die gleichnamigen Truppen der französischen Armee, die als erste das Kampffeld stürmten und direkten Kontakt zum Feind hatten.“ Das war ein Statement, das Euch zu Eurer Arbeit motiviert hat. Wie fühlt ihr Euch heute an der Fashion Front? Steht für Euch die Mode im Vordergrund oder die Message?
Mode wird immer kommerzieller, trendgebundener und kurzlebiger, eine Message bleibt dabei oft auf der Strecke. Deshalb ist es uns besonders wichtig, den Inhalt in den Vordergrund zu stellen und ein Ziel zu verfolgen, das alle Trägerinnen vereint.
Ist Provokation der beste Weg, um eine Botschaft zu verbreiten?
Auf jeden Fall einer der schnellsten. Provokation führt meist zur Reaktion und Reaktion ist ein erster Schritt zur Veränderung.
Ihr präsentiert Namilia zum vierten Mal auf der NYFW. Wie fühlt es sich an, als deutscher Designer mit einer Anti-Trump Haltung in New York zu zeigen?
Wir empfinden New York als eine Art Anti-Trump-Insel, umzingelt vom Rest Amerikas. Daher fühlen wir uns hier immer sehr willkommen und in all unseren Handlungen unterstützt.
Wie politisch seid ihr?
Wir sind im Umfeld unsere Mode politisch. Wir befassen uns mit gesellschaftlichen Themen wie beispielsweise dem Feminismus und versuchen durch unsere Entwürfe auf Missstände aufmerksam zu machen, die im direkten Zusammenhang mit der Kleidung stehen.
Eure Kollektion lebt nicht zuletzt von der Spannung ihrer gegensätzlichen Elemente: Sport-Kitsch-Eleganz-Hip Hop-Fetisch-Punk. Was bedeuten Euch diese starken Kontraste?
Polarisierende Elemente sollen die Mängel im System deutlich machen und uns zum Nachdenken anregen. Wir wollen neue Hybride erschaffen, die die Gegensätze zu einer homogenen neuen Form verschmelzen und mit bestehenden Klischees brechen.
Eure Recherche läuft auch über Instagram – hier findet ihr die Bilder der weiblichen Pop Ikonen und der berühmten Female-Power Aktivistinnen, die Euch inspirieren. Kennt ihr andere Designer, die auch mit Instagram arbeiten?
Bei Instagram findet ein weltweiter Bildaustausch statt, und die Bilder, die hier kursieren, spiegeln unmittelbar die zeitgenössischen Bedürfnisse der Menschen. Wir lieben die Schnelligkeit und Direktheit dieses Mediums und berufen uns in unserer Recherche deshalb immer wieder darauf. Da viele Designer den Entwurfsprozess mit einer Bildrecherche beginnen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich viele auch bei Instagram bedienen.
Namilia hat 32,9 Tausend Follower bei Instagram – wie und wann ist das geschehen?
Nach und nach. Wir haben vor ungefähr zwei Jahren mit Instagram angefangen und gewinnen durch jede Show und Aktion mehr Follower.
Bei allem politischen Sendungsbewusstsein: Welche Rolle spielt Humor in Eurer Kollektion?
Humor spielt definitiv eine sehr große Rolle. Mode kann ja so ernst und eitel sein. Der Spaß, den wir beim Entwurf der Kollektion haben, soll auch im Endprodukt spürbar sein und es macht uns glücklich, unseren Zuschauern ein Schmunzeln zu entlocken. Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger auf Schwächen im System hinweisen. Unser Ziel ist es, positive Energien zu entwickeln.
Ihr wollt bestehende Regeln über Bord werfen und richtet Euch oft in Imperativen an Euer Publikum. Seht ihr Euch als Propheten einer neuen Zeit?
Wir rufen die Mitglieder der Namilia-Gang dazu auf, zusammenzuhalten und gemeinsam für etwas zu kämpfen. Wenn jeder nur an seine persönlichen Bedürfnisse sieht, kommen wir nicht vom Fleck.
Seid ihr Fashion oder Anti-Fashion?
Wahrscheinlich irgendetwas dazwischen.
Ihr habt in den letzten beiden Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Was treibt Euch an?
Der Spaß an der Arbeit, unser wundervolles Team und der Anblick glücklicher Menschen in unseren Kollektionen.
Miley Cyrus ‚Bangerz’ Tour war die Inspiration für Eure erste Kollektion. Was fasziniert Euch an ihr?
Der radikale Bruch mit dem Disney Channel und der rebellische „Vibe“ ihres neuen Images. Wer traut es sich schon, auf der Bühne, auf einem gigantischen, aufblasbaren Penis zu reiten? Und das offenbar ohne das geringste Anzeichen von Scham? In unseren Augen war das ein ziemlich mutiges Statement, sehr erfrischend und befreiend.
Wie verändern die Sozialen Medien die öffentliche Wahrnehmung von Frauen?
Je mehr unterschiedliche Lebenskonzepte durch soziale Medien in die Öffentlichkeit getragen werden, desto mehr hinterfragen wir das Unsrige und suchen selbst nach neuen Ansätzen.
Wollt ihr Euch zukünftig auch anderen politischen Themen widmen?
Die Themen die uns am Herzen liegen, stehen im direkten Zusammenhang mit unserer Lebensrealität und der Mode die wir entwerfen. Neue Themen schließen wir in Zukunft nicht aus, doch vorerst haben wir mit dem jetzigen noch nicht abgeschlossen.
Fotos: Namila, Frauke Berg & Oliver Gather