Das schöne an der Arbeit von Jungdesignern ist, dass sie ihre Entwürfe (noch) als schieren Ausdruck ihrer ganz individuellen Weltanschauung nutzen. Manche von ihnen sind so ungeheur talentiert, dass ihnen darüber hinaus gelingt, worauf es in der Mode nunmal (auch) ankommt: Kleidung zu kreieren, die getragen werden will und getragen wird. Eine von ihnen: Design Talent Marie-Ève Lecavalier, deren Namen Ihr euch ab jetzt merken solltet.
Marie-Ève Lecavalier: Mehr als eine von vielen
Wer sich heute, im Jahre 2018 noch traut, Designer zu werden, der traut sich tatsächlich etwas. Das weiß jeder, der nur im entferntesten etwas mit der Modebranche zu tun hat. Einerseits scheint der vermeintliche Durchbruch dank Social Media einfacher denn je. Andererseits war es wohl noch nie zuvor herausfordernder, starke, eigenständige und attraktive Ideen zu entwickeln, die relevant sind und es auch bleiben. Den Weg zur Mode fand Marie-Ève bereits während der Schulzeit, als sie die Kleidung ihrer Mitschüler alternierte und so der Eintönigkeit ihrer Lebens in einem kleinen Vorort in Kanada entfloh. Sie absolvierte 2017 die renommierte Kunst- und Designuniversität HEAD, und machte unter anderem Station bei Alexander Wang und Raf Simons, für den sie heute immer noch arbeitet. Offenbar ein fruchtbarer Nährboden für ihre phantasievollen Mode-Ideen, mit denen sie im Mai den begehrten Prix de Chloé beim internationalen Hyères-Modefestival gewann.
Ein Design Talent, das gekommen ist, um zu bleiben
Der Weg aus dem kleinen, verschlafenen Vorort von Montréal bis auf die Modebretter, die die Welt bedeuten. Er klingt so erstrebenswert wie zäh– und genau das macht Marie unter all den vielen, beeindruckenden, fleißigen Nachwuchstalenten so bedeutsam. Die Sieger-Kollektion ‚Come get trippy with us‘ basiert ihrer Faszination für Subkulturen und Soziologie. Mittels ihrer Entwürfe seziert und reflektiert Lecavalier die Komplexität unserer Gesellschaft, eher noch die unzähligen Parallelen und Kontraste, die sie kennzeichnen. Konkreter basiert sie auf der Vorstellung einer Frau, die „die erste Betrunkene auf einer Vernissage sein könnte“ – eine herrlich komische Idee, die nicht nur das eitle Mode-, Kunst- und Kulturpublikum aufs Korn nimmt, sondern auch einen irrationalen Kontrapunkt zur Vorhersehbarkeit von Mode setzt.
Hier trifft ein elektrisierend-psychedelischer Print auf dekonstruierte Sportswear-Elemente, während wertige Statement-Stücke aus Leder auf deklarierten Minimalismus treffen. All dem schwingt eine Spur Seventies mit – pointiert und (wortwörtlich) irrsinnig gut. Die Raf Simon’sche Schule – man erkennt sie zweifellos. Auf den Trip gehen wir sicher mit. Dem ist nichts hinzuzufügen.