Rassismus – bei dem Wort zucken fast alle zusammen. Die einen erleben ihn. Die anderen verleugnen ihn. Und mittendrin stehen die, die ihn schlichtweg nicht wahrnehmen. Wer unmittelbar davon betroffen ist, muss – neben Diskriminierung und vielleicht sogar Gewalt – die eigenen Erfahrungen oftmals rechtfertigen und erklären. Damit wir alle zu einem gesellschaftlichem Miteinander beitragen können, hier 5 einfache Dinge, die du gegen Rassismus tun kannst.
Nur ein internationales Problem?
Vor über einer Woche kamen acht Menschen bei einem Attentat in Atlanta, USA ums Leben. Sechs der Opfer waren asiatischer Herkunft. Während die lokale Polizei beim Attentäter von „einem schlechten Tag“ spricht, spricht der Rest von einem klaren Hass-Attentat.
Die USA gehören zu den Ländern, in denen Rassismus ein offenkundiges Problem ist. Die Black Lives Matter-Bewegung von Frühling 2020, ausgelöst durch die Ermordung George Floyds durch einen Polizisten, hat die direkte Auseinandersetzung mit diesem gesellschaftlichen Problem weiter vorangetrieben. Nun wird darüber hinaus über die Diskriminierung von Asiaten und Menschen mit asiatischer Herkunft gesprochen, die sich durch das Coronavirus verstärkt hat. Für viele ist das hierzulande ein internationales Problem. Weit weg und für hier nicht geltend – auch wenn sich erst im Februar der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau jährte. Doch jede:r mit Migrationshintergrund (by the way ein stark zu hinterfragender Begriff) und das hier liest, schüttelt jetzt den Kopf. Denn auch hierzulande haben wir ein klares Problem mit Diskrimierung und Rassismus. Und hierzulande, wie auch überall sonst, tragen wir die Verantwortung, es nie wieder so weit kommen zu lassen, wie unsere Erbschuld beweist. „Wir alle müssen Rassismus persönlich nehmen, auch wenn wir nicht direkt betroffen sind“, heißt es bei Amnesty International.
Was ist Rassismus?
Auf der Homepage der ADB Brandenburg steht: „Mit dem Begriff Rassismus wird ein gesellschaftliches Verhältnis beschrieben, in dem kategorisiert wird, welche Personengruppen nicht zur Gruppe der Eigenen gehört und deshalb nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen erhalten. Wir leben in einer Welt, die von rassistischen Strukturen durchzogen ist. Diese Strukturen ziehen für rassistisch markierte Menschen tägliche Diskriminierungserfahrungen nach sich. Von der Mehrheitsgesellschaft wird Rassismus meistens als etwas verstanden, dass von böswillig handelnden Personen begangenen wird, die absichtlich und bewusst andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft verletzen wollen.“ Doch dem ist nicht so. Es gibt auch den strukturellen, subtilen, angelernten Rassismus. Und von dem sind wir alle auf irgendeine Art und Weise betroffen. Aber das können wir besser. Also, hier 5 To-do’s gegen Rassismus:
1. Speak up!
Wer schon einmal Rassismus erlebt hat, wird sich mal gewehrt und es mal über sich ergehen lassen haben. Die Angst, noch weiter beleidigt zu werden oder gar in Gefahr zu geraten, ist oft sehr groß. Wer Rassismus und Diskrimierung mitbekommt, sollte immer (!) seine eigene Stimme erheben und für das Opfer einstehen. Gerade Menschen, die mit ihren äußeren Merkmalen nicht als POC (People of Color) erkannt werden, können hier ein starker Advokat für das Opfer sein. Seht es als eine Art ‚Schutzpanzer’, den die Betroffenen nicht haben. Sollte die Situation zu gefährlich sein, ruft sofort Hilfe oder gar die Polizei. Wichtig ist: Ignoriert niemals ein solches Verhalten. Lasst es nicht zu, dass Rassismus salonfähig wird und erhebt die Stimme für die, die nicht gehört werden!
2. Zuhören, reflektieren, lernen und lehren
Rassismus versteckt sich in vielen angelernten Mustern, Denk- und Verhaltensweisen. Viele erkennen diesen jedoch nicht und gehen unwissend damit um – ganze ohne böse Absicht. Doch Unwissenheit ist nicht gleich Unschuld. Viele fühlen sich persönlich angegriffen und stempeln Rassismus als Empfindlichkeit ab. Hier ist es aber unbedingt notwendig, die Situation ernst zu nehmen. Hört zu, versetzt euch emphatisch in die Situation des anderen, denn dann könnt ihr erst lernen und verstehen, was am eigenen Verhalten rassistisch sein könnte. Es ist ein Dialog, den viele suchen. Kein Schlagabtausch zwischen Gut und Böse. Stellt euch vor, ihr wurdet beleidigt, diskriminiert oder minderwertig behandelt, nur weil ihr so ausseht, wie ihr ausseht. Stellt euch vor, ihr müsstet Sorge haben, euer Elternteil könnte im Supermarkt, auf dem Weg nach Hause oder im Bus etwas zustoßen, weil er oder sie aus einem anderen Land kommt. Stellt euch vor, was ihr machen würdet, wenn man euch mit Abneigung und Angst begegnet, weil ihr mit einem Klischee betrachtet werden. Stellt euch vor, man lobt euch für euer gutes Deutsch, obwohl ihr hier geboren und aufgewachsen seid. Stellt es euch einfach vor.
3. Support your Friends
Und da kommen wir zum nächsten Punkt: Fragt eure Freund:innen mit einem anderen/weiteren ethnischen Hintergrund, wie es ihnen eigentlich geht. Sie beobachten die derzeitigen Entwicklungen mit Sorge, denn sie haben ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus gemacht – von „Das war doch nur ein Scherz“ über „Menschen wie Sie…“ und „Wir sprechen hier Deutsch“ bis hin zu „Geh zurück wo du herkommst!“. Einige teilen ihre Erfahrungen vielleicht auch nicht (mehr), weil sie auch damit schlechte Erfahrungen gemacht haben. „Ich glaube, das hatte nichts mit deiner Herkunft zu tun“ oder „Das war bestimmt anders gemeint“ sind Sätze, die den Schmerz rund um solche Erfahrungen negieren und aberkennen. Seid für eure Freund:innen da und unterstützt sie.
4. Unsere alltägliche Sprache
Als eine U-Bahn Station in Berlin umbenannt werden sollte, weil sie das M-Wort enthielt, war der Aufruhr groß. Warum sind plötzlich alle so empfindlich?, hieß es. Auch hier ist es wichtig, die Perspektive zu wechseln. Wir benennen hierzulande ja auch keine Straßen nach Nazis oder mit dem Wort ‚Nazi’ drin. Und ist es wirklich schlimm, ein beliebtes Schokodessert bei seiner politisch korrekten Bezeichnung zu nennen? Hier kommt beispielsweise das sogenannte ‚White Privilege’ zu Tage: Weist man auf ein Wort mit kolonialistischem Hintergrund hin, wird gleich von einem Redeverbot gesprochen. Dabei stellt sich hier vielmehr die Frage, wie wichtig ist es letztlich, ein rassistisches Wort zu verwenden und kann man es nicht auch anders sagen? Was Sprache mit Rassismus zu tun hat, beweisen auch die USA exemplarisch. Ex-Präsident Donald Trump nannte das Coronavirus immer wieder ‚the Chinese Virus’ und diente damit als klarer Brandbeschleuniger für Angriffe auf die asiatische Community. Susan Arndt, Professorin für Anglistik und Kulturwissenschaften an der Universität Bayreuth, sagte zum Thema Sprache und Rassismus gegenüber RND.de: „Die deutsche Sprache ist sehr rassistisch geprägt. Grund dafür ist die Erfindung von ‚Rassen’ an der auch deutsche Theoretiker, Theologen und Philosophen aktiv mitgewirkt haben. Zurückzuführen ist diese ‚Rassentheorie’ auf den deutschen Kolonialismus, der mindestens von 1884 bis 1919 andauerte.“ Warum es aber gerade Non-POCs oftmals schwer fällt, auf rassistische Ausdrücke zu verzichten, erklärt sie so: „Viele Weiße haben das Privileg, Rassismus zu ignorieren. Wer Rassismus verleugnet, erkennt den Verzicht auf rassistische Wörter nicht als legitimen Widerstand an, sondern als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre. Hinzu kommt, dass viele sich davor scheuen, sich einzugestehen, dass sie jahrzehntelang ein rassistisches Wort benutzt haben. Das wirft Scham auf, die oft in Wut übersetzt wird. Um das zu vermeiden, versuchen viele, im Jetzt Argumente dafür zu finden, warum das Wort nicht rassistisch sein kann. Zum Beispiel, weil es schon immer so gesagt wurde und nie rassistisch gemeint war. Wenn wir aber begreifen, dass es sich bei Rassismus nicht um individuelle Absichtserklärungen, sondern eine wirkmächtige Diskriminierungsstruktur handelt, in die alle hineinsozialisiert werden, kann bei Weißen der Mut reifen, sich dem eigenen Rassismus zu stellen. Ich finde, das schulden Weiße allen People of Color, und es kann jedem gesellschaftlichen Klima nur guttun, mit einer Vergangenheit zu brechen, die gewaltvoll ist.“
Achtet daher unbedingt auf euren Wortschatz und lernt stets dazu, welche Begrifflichkeit politisch korrekt und welche rassistisch ist. Und keine Sorge: Die Deutsche Sprache hat wirklich genügend Alternativen.
Gemeinsam gegen Rassismus
Rassismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Rassismus ist ein Angriff auf das Menschenrecht. Und Rassismus betrifft mehr Menschen als es sich die Meisten vorstellen können. Nicht immer sind es People of Color. Es sind auch die, die bilingual aufgewachsen sind, Europäer:innen sind, aber eben ‚nicht Deutsch’.
Laut Amnesty International ist Rassismus in Deutschland wieder auf dem Vormarsch. Im Jahr 2016 verzeichnete die Bundesregierung nach vorläufigen Zahlen ca. 12.500 rechts motivierte Straftaten. „Die Täter:innen fühlen sich durch ein gesellschaftliches Klima, in dem rassistische Ressentiments immer offener propagiert werden, ermutigt. Wenn zu rassistischen Taten und Worten geschwiegen wird, empfinden das rassistisch Handelnde als Zustimmung. Wer will, dass sich alle Menschen in unserer vielfältigen Gesellschaft sicher und frei fühlen, muss sich einmischen und gegen Rassismus aktiv werden.“