Oliver Rauh ist ein „Tausendsassa“. Eine sehr treffende Bezeichnung, angesichts dessen, dass er als Marketing-Manager unter anderem für Christian Lacroix, Yohji Yamamoto und Jean-Paul Gaultier unterwegs war, bis er als Advertising Director Hugo Boss und Baldessarini betreute und zum Fashion Director der Qvest ernannt wurde. Letztlich machte er sich aber als freier Fotograf, Stylist und Consultant einen Namen und teilt nun mit uns, als waschechter Trachten-Experte, die größten Styling-Dont’s auf dem Oktoberfest. Welche das sind, verrät er uns im Interview.
Oliver, es ist gar nicht so leicht, dich auf eine Berufsbezeichnung festzunageln…
Ja, das ist in der Tat etwas schwierig, weil ich so ein Tausendsassa bin. (lacht) Aber ich nenne mich gerne Creative Mind. Das habe ich vor allem den Leuten zu verdanken, die mir damals beigepflichtet haben, all die Dinge zu tun, die ich machen wollte, unter anderem Fotografie. Ohne sie, könnte ich heute nicht sagen, dass ich einst Norbert Michalke oder Lady Gaga vor der Linse hatte.
Aber du hast Wirtschaftslehre studiert, richtig?
Ja, umso geiler, dass ich es gar nicht gelernt habe und doch so weit gekommen bin.
Welche drei Wörter beschreiben dich wohl am besten?
Oh Gott, das ist aber schwierig… (überlegt) Kommunikativ, loyal, traditionsverbunden, neugierig, freiheitsliebend…
Das sind mehr als drei.
Vielleicht sagt das ja auch etwas über mich aus. (lacht)
Deine Vita hat eine ebenso lange Liste. Wie ist dir der Sprung von der Wirtschaftslehre zum Creative Mind gelungen?
Ich war mit der Mode schon relativ früh verbunden, weil meine Großmutter Damenschneiderin war. Das Thema Design lag mir aber schon seit der Pubertät im Hinterkopf. Als ich dann einen Studienplatz in Paris bekam, löste das bei meiner Familie jedoch aus, dass ich lieber etwas Gescheites lernen soll.
Und gescheit hieß?
Das Ziel war, dass ich Steuerberater werde. Grauenvoll! (lacht) Aber gut, ich habe damals während meiner Schulzeit bereits in der Mode gearbeitet und nach dem Abitur weiter gemacht, weil ich bei der Bundeswehr immer zehn Tage Dienst und dann zwei bis drei Wochen frei hatte, sodass ich den Job nicht nur behalten, sondern auch tiefer in die Materie einsteigen konnte. Dort ist dann auch meine Kreativität immer klarer hervorgekommen. Während meines Studiums war ich dann mit 21 oder 22 Jahren plötzlich Pressechef. Dann habe ich auch noch die Werbeleitung übernommen, was dazu führte, dass meine ersten Kampagnenmotive in der deutschen Vogue zu sehen waren. Da war ich gerade einmal 23.
Credits: Florian Harrer
Ich habe über die Jahre einfach eine unglaublich große Leidenschaft für Tracht entwickelt, weil mir das Zusammensein mit Menschen auf dem Land, in der Tracht, einfach ein gutes Gefühl gibt.
Und was folgte dann?
Ich wollte dann natürlich wissen, wie mein Marktwert ist, weil ich als Student relativ klein gehalten wurde. Also bin ich zur Konkurrenz gewechselt. Von da aus ging es zu Hugo Boss und von dort aus auf die Seite der Werbeagentur. Irgendwann ging es dann weiter zur nächsten Station, aber eigentlich verlief alles nach dem Prinzip „Mach doch mal“.
Das klingt nach sehr viel schicksalhaftem Zufall…
Ich glaube weniger an Zufälle, sondern an das Schicksal. Aber man muss sein Schicksal, seine Bestimmung auch erkennen können.
Das ist die Kunst; was mich zu der Frage führt: Als ein „Tausendsassa“ muss man unglaublich vielseitig und kreativ sein. Was inspiriert dich?
Mein Bauchgefühl. Es gibt einfach Dinge, die in der Luft liegen und wenn man sensibel ist, lassen sich Tendenzen und Trends ziemlich schnell erfassen.
Kommen wir weniger auf Trends und mehr auf Tradition zu sprechen. Stichwort: Oktoberfest. Was glaubst du, fasziniert die Welt so sehr an der Wiesn und was fasziniert vor allem dich daran?
Ich glaube, dass die Welt von dem Gedanken fasziniert ist, das größte Volksfest der Welt zu haben, auf dem man einfach eine gute Zeit haben kann. Ich habe über die Jahre eine unglaublich große Leidenschaft für Tracht entwickelt, weil mir das Zusammensein mit Menschen auf dem Land, in der Tracht, ein gutes Gefühl gibt. Auf der Wiesn können sich sehr schöne Geschichten entwickeln und man kann generations- und sozialübergreifend nette Menschen kennenlernen, wenn man offen ist. Das gilt auch für den störrischen Bayer. (lacht) Es ist ein friedliches Miteinander. Und es heißt ja auch im Anschluss an den Anstich „Auf eine friedliche Wiesn“. Und genau das ist sie für mich.
Wenn man kein Teenager mehr ist, sollte man zumindest Schuhe aus dem Bergsportbereich tragen, aber natürlich ist der traditionelle Haferlschuh die beste Wahl.
oben: Oliver Rauh für Ludwig Beck und unten: Oliver Rauh für Rush4
Dann kommen wir doch auf das traditionelle Trachtenstyling auf dem Oktoberfest zu sprechen. Was sind deine absoluten Styling-Dont’s auf der Wiesn?
Bei der Männer Tracht fallen mir als erstes die Schuhe ein, denn die sind sehr wichtig. Wenn man kein Teenager mehr ist, sollte man zumindest Schuhe aus dem Bergsportbereich tragen, aber natürlich ist der traditionelle Haferlschuh die beste Wahl. Bei Kniebundhosen sollten die Kniestrumpfe unter der Hose getragen werden und Loferl sind ein No-go. Füßlinge sind verboten. Bei der Lederhose ist – je nach Geldbeutel – alles erlaubt. Hauptsache sie wird nicht baggy getragen. Ein weiteres, absolutes No-go sind Karohemden aus den Vorteilspaketen. Wenn man es nämlich wirklich richtig machen möchte, kauft man sich als Basisausstattung ein weißes Trachtenhemd.
Und Do’s?
Der Trachten Janker und die Trachtenweste sind immer eine gute Wahl, aber zu den Do’s gehört eigentlich alles, was man richtig macht.
Und bei den Damen?
Bei Frauen muss das Dirndl auf jeden Fall über das Knie gehen oder zumindest das Knie bedecken. Bitte auch keine Petticoats zeigen, sondern lediglich dazu nutzen, um Volumen zu addieren. Und auch Carmen- und schwarze Blusen sind tabu, ebenso wie Dirndl ohne Bluse. Also mein Must-do lautet zur traditionellen Dirndlbluse greifen.
Du bist ja sicherlich diese Saison auch wieder vorne mit dabei. Was steht bei dir als nächstes an?
Puh, ich habe natürlich schon viele Aufträge hinter mir, unter anderem den Trachtenprospekt von Ludwig Beck, der jetzt der Süddeutschen Zeitung beilag, so wie die große Trachtenstrecke in der aktuellen Ausgabe der Bunten, wofür ich das Styling verantwortete. In der aktuellen Rush4 durfte ich als die Wiesn-Ausgabe federführend begleiten. Dazu noch Tracht für Stapf aus Österreich sowie Konzeption, Styling und Foto für die Münchner Manufaktur. Jetzt steht für mich also vor allem der Spaßfaktor an erster Stelle. Das Oktoberfest startet für mich mit der Tiffany Wiesn und geht dann weiter mit der Lodenfrey Wiesn. Außerdem gibt es zum ersten Mal ein Influencer Wiesn Frühstück, bei dem ich teilnehmen werde. Ich werde sicherlich der älteste sein, der da auftaucht, aber ich freue mich. (lacht) Und dann natürlich meine Stammtisch-Wiesn und viele unerwartete Begegnungen mit Menschen in Tracht.
Hier einige Auszüge aus Oliver Rauhs Trachten-Arbeiten:
Oliver Rauh für die Münchner Manufaktur
Oliver Rauh für Almliebe
Mein Must-do lautet zur traditionellen Dirndlbluse greifen.
Oliver Rauh für Rush4
Foto: Wolfgang Gruber, Styling: Oliver Rauh für Schönes Fräulein
Wer sich nun traditionsbewusst in Tracht werfen möchte, hier eine Liste an Marken, die Oliver Rauh persönlich empfiehlt:
Für die stattlichen Herren:
www.hundsansscho.de // www.halfs.de // www.haferl.com // www.monacoduck.com // www.buamgwand.de // www.trachtundfederkiel.de // www.ledermanufaktur-lerner.de // www.juweilier-heiden.de // www.grasegger.de // www.vronikaa.com // www.luistrenker.com // www.amsel-fashion.com // www.beckert-tracht.de
Und für die feschen Madln:
www.ploom.at // www.feder-rock.com // www.muenchner-manufaktur.de // www.schatzi-dirndl.de // www.meindl-fashion.de // www.juliatrentinti.de // www.gottseidank.com // www.pezzo-strick.de // www.owa-liebt-tracht.de